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Das kenne ich nicht, das mag ich nicht, das will ich nicht

Ich kann es den Arbeiten nicht immer entnehmen und ich weiß es auch nur, weil ich mit Herrn Zeeh öfter spreche - über eben solche Dinge. Nicht nur mit ihm, auch mit anderen KünstlerInnen. Was will man erreichen? Man muss etwas erreichen. Es ist ja nicht so, als würde Kunst - in den öffentlichkeitswirksamen Formen - einem Selbstzweck dienen.

Herr Zeeh antwortet: „ [...] Das kenne ich nicht, das mag ich nicht, das will ich nicht.“ Ich hatte ihn gefragt, ob das Publikum, das dies denke, einen zusätzlichen Ansporn erzeugen würden. Ob man nicht genau diese BetrachterInnen zur Vernunft bringen, sie belehren will, in Bezug auf die eigene Arbeit und ob man nicht vielleicht selber derjenige ist, der nicht kennt, nicht mag, nicht will - ob es nicht diese Rückkopplung ist die einen zum Weitermachen bewegt, neue Arbeiten entstehen lässt. Herr Zeeh meint, dass ihn jenes Publikum nicht wirklich stören, er sich aber darüber freuen würde, wenn es mit einem anderen Gedanken, als der Abwehr, von der Arbeit wegtrete bzw. seine Ohren evtl. öffne - für neue Formen der Musik. Letztendlich, dass es im Anschluss anfange nachzudenken. Es geht allerdings nicht ums Belehren, eher um Respekt, Akzeptanz - Achtsamkeit. Eigentlich solle man als KünstlerIn doch frei sein in dem was man macht und so sollte es auch rezipiert werden. Der äußere Druck sollte nicht durch blinde Abstoßung erhöht, sondern durch eine ernstgemeinte Auseinandersetzung gerechtfertigt sein - das würde auch die inneren Zweifel glätten, denn wenn etwas ernstgenommen wird - unabhängig vom Ergebnis der Meinungsbildung, dann kann man mit den Zweifeln arbeiten - dann ist man nicht alleine mit ihnen, dann nimmt die Umgebung wahr und das ist nötig um die Freiheit nutzen zu können, die einem als KünstlerIn zur Verfügung steht. Es kann sich etwas entwickeln. Nicht zwanghaft, sondern mit den Mitteln, die einem jeden in einer freien Welt zur Verfügung stehen.

Wir sprechen über Cage und Strawinsky, über theoretische Ursprünge und Rechtfertigungen - die man als KünstlerIn eben auch braucht - was nichts mit Freiheit zu schaffen hat. Zumindest für eine gewisse Zeit - irgendwann kann man dann als Zitat für andere dienen.

Ist das etwas das erstrebenswert ist? Nein, nicht unbedingt. Schätzenswert wäre es aber, wenn jemand die eigene Person heranzieht. Als Verweis dafür, dass es Menschen gibt die bereit sind in offenen Nischen zu denken und zu handeln. Offen, weil als Einladung für all jene gedacht, die gerne einmal wissen würden was da vor sich geht.

Und wenn keiner kommt? Dann braucht man ein Fell, eine gutgemeinte Trotzigkeit, die das Interesse wecken kann, weil man manchmal eben die einfachen, lange gelernten Muster der Neugierde ansprechen muss.

Ist die Bühne deswegen wichtig - ist es wichtig von den ZuschauernInnen abgeschnitten zu sein, damit das funktioniert? Das ist es. Außerdem ist es auch etwas, dass schon gelernt war und ist. Als - sozusagen - klassischer Musiker. Mit dem Saxophon vor Publikum - ‚Gewöhnliches‘ spielend. In dem Zusammenhang geht es aber um etwas anderes - nachher ist man alleine. Deswegen Kunst - und in ihr nicht alleine sein wollen - mit der Erkenntnis.

Ich weiß nicht, ob ich während des Gesprächs unruhig geworden bin, oder ob ich nicht schon davor unruhig war. Ich bin gereizt, weil ich meine nicht unter die Oberfläche gekommen zu sein. Ich versuche immer aus der Biographie heraus Verhältnisse zu erschließen und an die komme ich nicht heran, oder ich hab sie mir anders vorgestellt. Deswegen stelle ich einige aufgeregte Fragen zum Zeitgeist. Ist das letztendlich nicht alles Zeitgeist, ist das nicht furchtbar langweilig, ist das nicht die Quelle des vermeintlichen Trotzes - dieses Oszillieren zwischen einer unermesslichen Zahl von Umständen, Gegebenheiten, Geschehnissen, Orten, Zwischenfällen, Unabwägbarkeiten und Abwägbarkeiten. Ist es nicht das, was diese unnachvollziehbaren Haltungen erzeugt und deswegen jeglicher Durchblick und jedes verstehende Gehör im bedrohlichen Rauschen versackt.

„Ja, aber das bin ich, dass ist es worum es geht - darin etwas zu entdecken - denn da ist ja alles drin. Und ich bin darin ja nicht alleine - aber manchmal habe ich das Gefühl ich sehe und höre es als Einziger.



Ein Gespräch zwischen Florian Zeeh und Daniel Helbig. Zusammengefasst von Daniel Helbig.
Frühjahr 2016